04.06.2008
SuperdukeBattle Most - "Tal der Tränen"
Eigentlich hätten wir vom zweiten Lauf der KTM Superdukebattle im tschechischen Most mit 50 Punkten und einem breiten Grinsen zurückkehren müssen, doch stattdessen reichte es gerade einmal für eine handvoll Zähler und statt dem Grinsen gibt es derzeit nur betrübte Gesichter im triplespeed-headquarters anzutreffen. Die böse havarierte Superduke auf der Hebebühne in Obis Werkstatt scheint sich tatsächlich eine Träne zu verdrücken... ach nein, es ist nur Bremsflüssigkeit, welche aus dem aufgerissenen Behälter tropft und sich am Boden mit dem Motoröl vermischt, welches sich aus dem aufgeschliffenen Motordeckel ergießt - ein wirklich deprimierender Anblick, unsere schwarze Schönheit, so angeschlagen dastehen zu sehen...Aber wie kam es zu diesem traurigen Ende?
Most, Tschechische Republik: diese Rennstrecke ist bekannt als "Rübenacker" und Kreise auf ihr zu drehen, hat eher etwas von einem "Rodeoritt bei 200 kmh" als von Motorradfahren, aber das war einmal... Most hat sich gewandelt. Die Strecke hat fast komplett ringsrum einen neuen Belag bekommen, welcher aufgrund seiner Beschaffenheit zwar gewöhnungsbedürftig ist - das Knieschleifen darauf gleicht eher dem Gleiten über Flanell-Stoff, als über Asphalt - dafür aber (derzeit noch) topfeben und mit einen mördermäßigen Grip gesegnet.
Es ist drei Jahre her, daß ich zuletzt hier war, doch die Streckenführung hat sich bis auf die neue Schikane Ende Start/Ziel nicht verändert und durch den neuen Asphalt kann ich mich nun endlich einmal auf das großartige Layout dieser Strecke konzentrieren, anstatt immer nur gegen die Schwerkraft und die Bodenwellen in Größe von Gebirgsketten auf dem Kurs anzukämpfen - Most war früher schon cool, jetzt allerdings ist es Adrenalin pur und eine wirklich spannende Strecke...
wer einmal auf diesem neuen Asphalt über beide Räder rutschend aus der langen Links, über die Gegengerade auf den Bremspunkt zugeflogen ist, weiß was ich meine...
that's real racing!
Die Trainings am Freitag absolvieren wir wie gewohnt konzentriert und ruhig. Unsere mit WP-Germany zusammen abgestimmte Superduke paßt schon in ihrem Grund Set-Up bestens zu Most, lediglich die richtige Übersetzung "erforschen" wir noch in den Trainingsturns, können aber auch hier sehr bald einen Haken hinter die Aufgabe machen.
We are ready to race.
Am Freitag fahre ich zu Trainingszwecken noch ein freies Superbike-Rennen des Veranstalters mit, bei dem ich vom 4. Startplatz aus zunächst ein ziemlich einsames Rennen fahre, mich dafür aber in den letzten zwei Runden doch noch in heftigen Nahkämpfen mit einer DUCATI 999 und einer neuen 750er Gixxer befinde - am Ende entreißt mir die DUCATI dank ihres leistungsmäßig klar überlegenen Motors den Sieg auf der Ziellinie... mit 3 Hundertsteln (vielleicht hatte sie auch einfach nur ein dickeres Reifenprofil, welches als erstes über die Linie ging?!). Auf jeden Fall war es ein guter Test für die Battle-Rennen am Samstag und Sonntag. Obi und ich haben einen guten Job geliefert und sind sehr zufrieden.
Samstag - Zeittrainings
Die Zeittrainings am Samstag nutzen wir lediglich zur letzten Feinabstimmung und zum einrollen, schließlich will ich mich für das erste Rennen am Nachmittag nicht jetzt schon völlig verheizen. Im zweiten Zeittraining reichen drei fast komplett freie Runden um mich auf den dritten Startplatz zu stellen. Neben mir steht Achim Hagel - Gaststarter und 2007 "festes Mitglied" der Battle-Gemeinde und mir daher auch bestens bekannt - und auf Pole, wie sollte es anders sein, Harald Kitsch. Harald fährt hier in Most neben der Battle auch noch auf einer 1000er GIXXER in der Deutschen Langstreckenmeisterschaft mit und brennt den Jungs da ordentlich was auf den Pelz.
Der erste Lauf - tiplespeed mit Ein-Stopp-Strategie!
Da ich weiß, daß Herr Hagel nicht nur passionierter Spätbremser ist, sondern es auch gerne mal übertreibt, ist klar, ich muß mich gleich aus dem Staub machen, sonst wird es vielleicht gefährlich. Die Ampel geht aus und ich von meinem dritten Platz wieder einmal direkt in Führung. Ende Start/Ziel lege ich als erster in die Schikane ab und ziehe dann mit mächtig Feuer auf - wir haben uns für die Flucht nach vorn für einen weichen Hinterreifen entschieden... dies sollte sich allerdings noch als Griff in's vielzitierte Klo herausstellen. Zunächst jedoch funktioniert alles bestens. Ich ziehe meine Kreise unbedrängt, absolut konstant und ohne jegliche Probleme mit Mensch und Maschine.

Auf und davon
Runde 6 und mein Gang verabschiedet sich wieder einmal. Nicht so wild, aber ich komme ein wenig von der Linie ab. Ich schaue mich sicherheitshalber einmal um, damit ich meinem Verfolger, Herrn Kitsch nicht in die Karre knalle, nachdem ich meine Fahrtroute gerade so abrupt geändert habe... doch Harald ist gar nicht da? Harald hat gute 4 Sekunden Rückstand (nein, habe ich an der Stelle nicht mitgezählt, sondern wurde mir später berichtet). Klasse, dann fahr ich das Ding jetzt sicher nach hause - gesagt... aber leider nicht getan. Eine Runde später beim Einbiegen zu Start/Ziel verabschiedet sich mein Hinterreifen ohne jegliche Vorwahrnung - anscheinend waren diese Temperaturen und die Belastung doch diesen gewissen "Tick zu viel" für die ansonsten so großartig funktionierende "Wunderpelle" aus dem Hause CONTINENTAL.
Ich verabschiede mich nach einem respektablen Rutsch über den Asphalt, einem kleinen Abheber über die Curbs und einigen Metern Wiese, schließlich ins Kiesbett. "Mist, ich bin eingeklemmt!". Ich liege unter meiner Superduke und kann mich nicht mehr rühren. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis endlich ein Streckenposten auftaucht um meine Maschine anzuheben. Das Feld zieht derweil an mir vorbei.
Die Superduke steht wieder. Ihr fehlt zwar fast die komplette rechte Fußraste, aber ansonsten scheint sie kaum beschädigt... na dann, hinterher!
Bei der Rückkehr aus dem Kiesbett habe ich dann doch gleich nochmal riesen "Dusel" - Hendrik Ladiges, alias Henne kommt ums Eck und kann dank seiner Geistesgegenwart einen Horrorcrash verhindern - Danke Henne!
Ich mache mich auf die Verfolgung habe aber keine Ahnung wo ich gerade im Klassement unterwegs bin; ist auch egal, ich muß einfach versuchen, noch so viele wie irgendmöglich einzuholen, um noch den einen oder anderen Punkt für die Meisterschaft zu retten. Harald Kitsch fährt derweil vorne einem ungefährdeten Sieg entgegen.
Mit einem kompletten Besteckkasten zwischen den Zähnen und einer quasi nicht mehr vorhandenen rechten Fußraste pflüge ich durch's Feld.

Aufholjagd
Die "extrem gewichtsoptimierte" Raste macht mir dabei überraschenderweise kaum Probleme, aber so angefressen wie ich gerade bin, hätten wahrscheinlich auch beide Reifen platt sein können, es hätte an der Aufholjagd nichts geändert. Die nächsten drei Runden vergehen in Zeitraffer - etwas Ähnliches hatte ich letztes Jahr schon einmal auf der Dahlemer Binz erlebt, als die Superduke am Start ausging und ich als Allerletzter erst los kam.
Nach 10 Runden gehe ich über die Linie - keine Ahnung mit welcher Platzierung, aber stocksauer auf das Schicksal! Obi und mein Gesicht hellt sich wieder auf, als wir das Ergebnis sehen: der Sieg geht an Harald Kitsch, wie zu erwarten. Platz zwei an Achim Hagel, Dritter wird unser Freund Stöcki, auf vier geht der Gaststarter Rene Knöfler durch und auf Fünf... Jens Hebisch mit Ein-Stopp-Strategie! Da Hagel und Knöfi nur Gaststarter sind, bekomme ich sogar die Punkte von Platz 3 und eigentlich ist somit "gar nicht viel passiert". Unserer schwarzen Schönheit übrigens auch nicht - eine neue Fußraste und das war's - danke Schicksal!
Das Drama nimmt seinen Lauf
Zum zweiten Superdukebattle-Rennen an diesem Wochenende ziehe ich einen mittelweichen Reifen auf - damit kann ich vielleicht nicht so gut "flüchten", aber er hält sicher durch und für einen ordentlichen Fight mit Herrn Kitsch ist das Teil auch bestens geeignet. Thema "Fight mit Herrn Kitsch" - bereits im Sonntagmorgentlichen Warm Up fahren Harald und ich uns schon wieder heftig um die Lichter und treffen uns beide dann breitgrinsend im Fahrerlager wieder. Bei der Gelegenheit diskutieren wir auch das Problem mit dem fahrerischen Leistungsunterschied in solch einer Klasse - teilweise entstehen dadurch schon "sehr brenzlige Situationen"... zu diesem Zeitpunkt sollte ich noch nicht wissen, daß es für mich nicht nur brenzlig wird, sondern meine Hoffnungen auf einen Sieg oder zumindest ein gutes Ergebnis geradezu "abgefackelt" werden.

Warm up
Rennen 2: die Ampel geht aus und ich donnere los. Obi hat mir für Most wieder eine unglaublich perfekte Maschine im triplespeed-headquarters vorbereitet, und damit fällt es mir nun auch nicht schwer, hier an der Spitze mit gewaltigem Speed davon zu donnern. Nur Herr Kitsch kann mir folgen, aber so war ja auch der Plan. In Runde 2 geht Harald vorbei und ich hänge mich in seinen Windschatten. Von diesem Zeitpunkt ab kontrolliere ich das Geschehen völlig. Harald kommt nicht davon, ab und zu zeige ich mich, um den Druck zu erhöhen. Alles läuft genau nach Plan.

Verfolgungsjagd die 1.

die 2.

und die 3.
Ich weiß, es gibt pro Runde drei oder vier Punkte, an denen ich schneller kann wie er, und diese werde ich mir für den letzten Umlauf aufsparen... leider soll es zu dieser finalen Attacke aber gar nicht mehr kommen...

Formationsflug
Vorletzte Runde. Wir laufen auf überrundete Fahrer auf. Harald geht vorbei. Ich muß dranbleiben und will eine Lücke ausnutzen... und dann nimmt das Drama seinen Lauf: Ich steche innen durch und habe die Augen schon auf der nächsten Ecke, als es auf einmal eine Kollision am Heck gibt und ich augenblicklich hart auf dem Asphalt aufschlage...
Zu erklären, was in diesem Moment passiert ist, ist schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Nein ich meine nicht den Unfallverlauf - es war ein Rennunfall - ich war der Meinung, ich passe da durch, und der Überrundete - wie es sich für ein ordentliches Drama gehört natürlich nicht Irgendwer, sondern Herr Zaha, Chef KTM-Deutschland himself - hat nicht damit gerechnet, daß da noch jemand auftaucht.
Nein, was so schwer zu erklären ist, ist, wie "hart" mich das getroffen hat:
Ich war der schnellste Mann auf der Strecke.
Ich hätte zwei Siege einfahren können, nein müssen - wir hatten alles dafür getan.
Und jetzt... jetzt habe ich einen Haufen Schrott und keine Punkte.
Der Spruch "That's racing" mag sicherlich stimmen, aber so einfach ist das diesmal eben nicht zu erklären...

Enttäuscht
und jetzt stehen wir eben wieder da in unserer Werkstatt, und wenn ich jetzt so auf die Superduke schaue, bin ich mir auf einmal nicht mehr so sicher, ob das wirklich nur Bremsflüssigkeit ist, was da aus ihrem "Gesicht" tropft...?
Die Show wird weitergehen. Obi wird die Superduke wieder "trösten" und in zwei Wochen in Assen wird sie wieder da stehen, als hätte es Most nie gegeben. Bei mir wird das wahrscheinlich noch ein paar Tage länger dauern, aber spätestens wenn Harald und ich das nächste mal wieder Ellbogen an Ellbogen, jenseits der Schallmauer, rutschend und driftend um jeden Meter Asphalt kämpfen... spätestens dann habe auch ich Most abgehakt und habe wieder nur noch einen Gedanken: "Im nächsten Eck muß ICH vorne sein!"
Bis dahin haben wir allerdings noch etwas Arbeit vor uns und Obi wird wohl einige Nächte in der Werkstatt verbringen - schön ist an dieser Stelle auch, daß man gerade in solchen Situationen wieder einmal sieht, auf wen man sich 110-prozentig verlassen kann. Zum Beispiel hat LSL lediglich gefragt, an welche Adresse sie die Ersatzrasten und Kleinteile denn jetzt mal schnell schicken sollen (Danke Detlef und Gruß an Jochen), oder hat Carbon-Performance sofort begonnen ein paar neue Carbonschützer zusammen zu brutzeln und auf den Weg zu bringen. Nicht zu vergessen Road-Star, mein KTM-Händler aus Fürth, der den Ersatzteilservice in Mattighofen malträtiert, um möglichst schnell alle Austauschteile für die Superduke an den Start zu bringen...
vielen Dank Leute!
Einen Dank muß ich jetzt auch noch loswerden - ehrlich wichtig: Danke Christina! Meine Ehefrau erträgt nicht nur alle Höhen und Tiefen meiner "Rennsportkarriere", sondern verzichtet für das breite Grinsen auf meinem Gesicht auf viel mehr, als nur die gemeinsamen Wochenenden... wieviel Urlaubskataloge schon heimlich in unserer Altpapiertonne gelandet sind möchte ich gar nicht wissen, sicher ist aber wohl: nach Most kam wieder einer dazu. Ich liebe Dich Frau Hebisch und danke, daß Du mich immer wieder unterstützt und aufbaust (auch wenn Dir dabei manchmal vor Wut Dampf aus der Nase aufsteigt).
Die Vorzeichen für den weiteren Verlauf der Battle haben sich nach Most nun deutlich geändert; wir sind nicht mehr die Gejagten... von nun ab sind WIR wieder die Jäger - und diese Rolle steht uns eh viel besser!
24 Punkte Vorsprung für Herrn Kitsch sind 'ne Menge Holz, aber 12 noch ausstehende Rennen auch noch eine verdammt lange Zeit, um ihn aufzuhalten. Und da ich in meinen Stories ja immer gerne auch mal Blockbuster-Titel verwende, möchte ich auch diese Geschichte mit einem solchen beenden:
The "MISSION IMPOSSIBLE" has just started...
Assen wir kommen!
Bis dahin
Jens #44